Wie alles begann

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Meine Hände zitterten. In der rechten Hand hielt ich meine Zigarette und in der linken das kleine Stück aus Metall welches eindeutig viel zu viel Bedeutung in meinem Leben hatte. Ich konnte nicht mehr. Dennoch benutze ich es nicht. Zu groß war die Panik dass es jemand entdecken könnte und ich mir damit noch mehr Probleme einhandeln würde als ich es vermutlich eh schon tat. Immerhin war es mitten in der Nacht, ich saß alleine im Wald und war am rauchen. Also mehrere Regelverstöße auf einmal, die mich das Ende dieser Tanzfreizeit kosten könnten, sobald mich jemand entdecken würde. Aber es war das Verbotene dass mich reizte. Vielleicht war es auch das, dass mich von der Verwendung der Rasierklinge, die immer noch mit meiner zitternden Hand auf und ab wippte, abhielt.
Nach drei Zigaretten und doch einer kleinen neuen roten Linie auf meinem Körper ging ich wieder in Richtung Hütte zurück. Eines war sicher, wenn ich nicht bald mit jemandem über den Krieg in meinem Kopf reden könnte würde ich durchdrehen. Leise krabbelte ich zurück in meinen Schlafsack und überlegte. Meine beste Freundin war keine Person mit der ich sprechen konnte. Sie war egoistisch, würde es nicht verstehen und hätte dann noch tausend Argumente warum es ihr schlechter ginge als mir und sie würde nur über sich selbst sprechen. Nein, das geht nicht. Die Tanzlehrerin aus meinem Tanzkurs ist die einzige die ich etwas kannte, doch auch sie war mir zu fremd. Andere Freunde hatte ich auf der Freizeit noch nicht gefunden und anrufe konnte ich keinen, da ich hier in diesem Camp mitten im Wald, am Arsch der Welt, eh keinen Empfang hatte. Und wen sollte ich schon anrufen? Keine Ahnung. Ich blieb weiterhin verzweifelt und hatte schreckliche Suizidgedanken die mich wachhielten. Keiner hatte meinen nächtlichen Ausflug bemerkt. Wie auch, das einzig wirkliche verdächtige war die Parfumwolke die ich nach jeder Zigarette an mir trug. Sicherlich würde es keiner witzig finden eine fünfzehn Jährige mit dem Rauchen in Verbindung zu bringen. Meine Eltern nicht, die TanzlehrerInnen nicht und meine beste Freundin ebenfalls nicht. Nur außerhalb von dieser Freizeit hatte ich Menschen die es verstanden. Die, die selbst rauchten und/ oder ebenfalls psychische Totalschäden waren.
Nach langem Gedankenkreisen schlief ich dann tatsächlich irgendwie ein.

12 Stunden zuvor

Alle waren wahnsinnig aufgeregt und türmten sich in ihren Freundesgruppen zusammen. Außer ich. Wie auch. Ich hatte nur meine beste Freundin. Und sie auch irgendwie nicht wirklich, denn sie war nie so richtig für mich da wenn es darauf ankam. Ich weiß auch gar nicht warum wir uns zusammen hier zu dieser Tanzfreizeit angemeldet hatten. Es war irgendwie naiv. Genauso naiv wie es von mir war mich ebenfalls mit meinem Ex hier anzumelden. Er hat nämlich vor zwei Wochen über Whats App mit mir Schluss gemacht. "Was ein Arsch!" dachte ich etwas zu laut und ein Mädchen drehte sich zu mir um und musterte mich von unten nach oben. Ich dachte ich fall' vom Glauben ab. Dann war das auch noch die kleine Hoe für die er mich eigentlich verlassen hatte- diese ihn dann aber doch nicht wollte. Die drehte sich wieder zu ihrer Mädelsclique um und alle tuschelten und kicherten laut.
Mir war alles zu viel. Ich war gefangen auf einer Freizeit auf die ich jetzt gar nicht mehr wollte, wurde von Sekunde zu Sekunde depressiver, panischer und wollte mir am liebsten irgendwelcher Muster in die Arme schlitzen. Das fängt ja schon richtig gut an.
Aber wie ich in sämtliche Psychotanten (andere nennen sie auch Psychotherapeuten) jetzt gesagt hätten »Man solle ja auch das Positive in jeder Situation sehen.« hatten meine beste Freundin und ich das Glück, dass wir uns einen Platz bei einer Tanzlehrerin im Auto gesichert hatten und nicht im überfüllten Bus sitzen mussten.
Aber bei der Ankunft im Camp ging es gerade weiter... zwei Tanzlehrer kamen auf unsere Gruppe zu. Einen davon kannte ich, es war Max, der den Tanzkurs parallel zu meinem unterrichtete und dann war da noch Delia. Sie kannte ich nur oberflächlich vom Hören, hatte nie wirklich Kontakt zu ihr. Ich dachte dass sich das auch nicht ändern würde, denn als die beiden sagten, dass sie jetzt eine Kofferkontrolle durchführen würden waren sie mir direkt des Todes unsympathisch. Ich war verzweifelt, wollte mir meine Panik nicht ansehen lassen und wusste nicht ob ich lachen oder weinen sollte. Also lachte ich. Der Alkohol in meinem Koffer lachte auch, meine Zigarette lachten und meine Rasierklingen ebenfalls.

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⏰ Last updated: Jul 15, 2022 ⏰

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